Schwächen ausmerzen. Darauf liegt immer noch der Fokus in der Personalentwicklung. Das spricht Bände über die Haltung gegenüber den Mitarbeitenden. Die Idee der Schwächen-Minimierung ist im Grunde sogar übergriffig. Und bei weitem nicht so effektiv wie die Stärken zu stärken. Mehr dazu im Artikel.

Liegt das Entwicklungspotenzial wirklich in den Schwächen?

„Da hat Herr Schwalb noch Entwicklungspotenzial“. In den allermeisten Fällen wird mit so einem Satz drauf hingewiesen, dass die Person etwas NICHT kann. Komisch eigentlich: Weder das Wort „Entwicklung“ noch das Wort „Potenzial“ sind negativ belegt.

Im Arbeitskontext wird „Entwicklungspotenzial“ allerdings mit „Defizit“ gleichgesetzt: „Herr Schwalb kann das noch nicht.“
Dahinter steckt die Annahme, dass es sinnvoller ist, die Schwächen auszumerzen als die Stärken zu stärken, Ein Irrglaube, mit dem wir in diesem Artikel 🔗aufräumen.
Außerdem zeigt sich hinter der Aussage auch die Haltung: „Herr Schwab ist noch nicht so, wie wir ihn gerne haben wollen.“

Menschen in ihrem Wesen ändern zu wollen ist übergriffig

„Für eine Führungsposition fehlt Sonja einfach die Durchsetzungskraft. Die muss auch auf den Tisch hauen können. Aber das schaufeln wir ihr schon noch drauf.“

Selbst wenn die Aussage wohlwollend gemeint ist, verrät sie den dahinterliegenden Denkfehler: Wir wissen genau, wie eine Führungskraft zu sein hat. Wenn jemand nicht diesem Typus entspricht, muss sie/er sich eben ändern. Sonst genügt sie/er unserem Bild nicht.
In der Stärken-Orientierung wählen wir einen ganz anderen Ansatz:

Einzigartigkeit feiern statt Schwächen ausmerzen

Statt die Kolleg*innen ändern zu wollen, ist es viel sinnvoller zu schauen, wie die Person die Rolle der Führungskraft gut ausfüllen kann. Mit ihrer ureigenen Stärken-Kombination. Und OHNE sich verbiegen zu müssen.
Natürlich gibt es Führungskräfte, die impulsiv und manchmal auch laut führen.
Genauso hast du bestimmt auch schon jemanden kennengelernt, der – nicht obwohl – sondern weil sie/er sehr besonnen wirkt, ordentlich Autorität ausstrahlt.
Es würde mächtig in die Hose gehen, diese in sich ruhende Person „umerziehen“ zu wollen, damit sie öfter auf den Tisch haut. Das wäre völlig unglaubwürdig und würde zu allererst der Person und in zweiter Linie auch dem Team schaden.

Menschen ändern sich nicht von heute auf morgen

Ab dem 21. Lebensjahr bleiben statistisch die Stärken sehr stabil. Nur selten ändert sich die Stärkenkombination. Unsere Stärken und Bedürfnisse prägen ganz stark, wie wir fühlen, denken und handeln. Diese Denkmuster innerhalb kürzester Zeit abzulegen, gelingt selten. Schließlich tragen wir sie seit dem Erwachsenwerden mit uns herum.

Als Chef*in oder Personalentwickler*in von jemandem zu verlangen, sich zu ändern, halten wir deshalb auch für kritisch. Das viel größere Entwicklungspotenzial liegt aus unserer Sicht im Stärken der eigenen Stärken.

Fokus aufs tatsächliche Potenzial: die Stärken

Menschen, die ihre Stärken am Arbeitsplatz ausbauen können, lernen viel schneller. Sie bringen Erfahrungswissen mit und das Lernen entspricht ihrem Denkmuster.

Sie werden außerdem von der Aufgabe regelrecht angezogen (Pull-Effekt), weil sie merken, dass sie genau in ihrem Element sind. Erste Erfolge stellen sich innerhalb kürzester Zeit ein. Sie können zusätzlich ihre Bedürfnisse ausleben, was dazu führt, dass sie sich wohl fühlen im Arbeitsumfeld. Sie müssen sich eben nicht verbiegen.

Die positiven Nebeneffekte

Mitarbeiter*innen, die ihre Stärken einsetzen können, haben eine deutlich höhere Bindung ans Unternehmen und an die Führungskraft. Sie verlassen deutlich seltener das Unternehmen – auch in schwierigen Zeiten.
Außerdem übernehmen sie gerne die Verantwortung für die Aufgaben, die ihnen liegen. Der Pull-Effekt sorgt dafür, dass sie sich gut mit den Tasks identifizieren können (meine Aufgabe).
Der wohl wichtigste Nebeneffekt: Sie erfahren echte Wertschätzung! Wenn ich weiß, dass mich mein*e Chef*in ganz gezielt dort einsetzt, wo ich meine Stärken habe, dann weiß ich, dass sie/er sich für mich interessiert. Menschen wollen gesehen und gewertschätzt werden.

Realitätscheck: Wann müssen wir an unseren Schwächen arbeiten?

Ja, wir sind große Verfechter der Stärken-Orientierung. Wir sind aber auch Realisten. Manchmal komme ich nicht drum herum, mich um meine Schwäche zu kümmern. Wohlgemerkt KÜMMERN, nicht ausmerzen. Und zwar dann, wenn sie mir im täglichen Doing z.B. im Kundenkontakt im Wege steht.

Ein Beispiel: Ben ist technisch versiert, findet für jedes Problem eine Lösung. Was er gar nicht leiden kann ist, wenn man ihn unterbricht. Bei Kundenanfragen während seiner Tüftelzeit ist er manchmal zu knapp angebunden bis harsch am Telefon. Das geht natürlich auf Dauer nicht.
Ben auf ein Smalltalk-Seminar zu schicken wäre wohl eine der ersten Ideen, auf die die HR-Abteilung kommen könnte.
Wie groß siehst du die Chance, dass Ben nach dem Smalltalk-Seminar Bock hat, ans Telefon zu gehen?

Unsere Prognose: Selbst nach dem dritten Smalltalk-Seminar wird Ben die Augen herausdrehen, wenn das Kundentelefon zum ungünstigen Zeitpunkt klingelt.
Was kann Ben also tun?

3 einfache Wege, um die eigenen Schwächen zu managen

Eine ausführliche Beschreibung zum Schwächen-Management findest du in diesem Blogartikel.
Hier in Kurzform dargestellt:

1) Stärken nutzen
Ben hat die Stärke „Planung“ unter seinen TOP 8. Er könnte sich fixe Zeitfenster für seine Tüftelarbeit im Kalender blocken. Seinen wichtigsten Kund*innen kann er die geblockten Zeiten mitteilen.

2) Hilfsmittel nutzen
Für seine geblockten Deep Work Zeiten bespricht er einmalig die Mailbox und ruft die Kund*innen im Nachgang entspannt zurück.

3) Kongeniale Partner*innen
Ben bittet eine*n Kolleg*in für die geblockte Zeit die Telefonate „abzufangen“. Im Gegenzug unterstützt er die/den Kolleg*in bei technischen Schwierigkeiten an anderer Stelle.

Management Summary

Menschen wollen gesehen und gehört werden.
Und sie mögen es nicht, wenn man sie verändern will.
Entwicklungspotenzial heißt: Stärken stärken.

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