Patrick Kuglmeier begleitet Firmen, die von klassischen Strukturen den Sprung in die Selbstorganisation wagen. Über mehrere Jahre füllte er die Rolle „Leadlink Mensch und Kultur“ in einer Tech-Firma aus. Er weiß also, wovon er spricht. Zusätzlich ist er Gründer von Humanize.works. Ziel des StartUps ist es, Unternehmenskultur mit Hilfe eines Tools regelmäßig zu messen und vor allem die Kultur auch sichtbar zu machen.
Im Interview mit StärkenEffekt stellt er heraus, wie wichtig es ist, dass Rollen klar definiert werden und die Rolle auch wirklich gut zur Person passt.

Sebastian: Hey Patrick, kannst du bitte in ein paar Sätzen erklären, was Selbstorganisation überhaupt ist?

Patrick: Zum einen bedeutet Selbstorganisation, dass es deutlich flachere Hierarchien gibt. Selbstorganisation bedeutet übrigens nicht(!), dass es gar keine Hierarchie oder Führung gibt. Entscheidungen hängen allerdings nicht an den klassischen Führungspersonen, sondern an Rollen. Und Rollen sind wiederum genaue Beschreibungen, was meine Aufgaben sind und was meine Kolleg*innen von mir erwarten dürfen. Jede Person hat im Normalfall mehrere Rollen.

Sebastian: Lass uns da nochmal tiefer eintauchen. Was gehört zu einer guten Rollenbeschreibung?

Patrick: Die absoluten Basics sind der Name der Rolle, der Purpose – also warum existiert die Rolle? – und die Verantwortlichkeiten. Die Domäne steckt den Rahmen ab, in dem die/der Rolleninhaber*in Entscheidungen treffen kann.

Sebastian: Und es ist ganz „normal“, dass ich mehrere Rollen habe?

Patrick: In den allermeisten Fällen hast du mehrere Rollen. Je weiter entwickelt die Selbstorganisation im Unternehmen ist, desto granularer wird die Aufgabenverteilung und desto mehr Rollen gibt es dann auch. Ich hatte damals neben der Rolle „Leadlink Mensch und Kultur“ noch 3-4 weitere Rollen. Die Rollen können sich auch ändern. Manchmal gibt man auch eine Rolle ab oder formt eine neue.

Sebastian: Was war deine Aufgabe als „Leadlink Mensch und Kultur“?

Patrick: Wir haben unternehmensweit Holacracy, eine Form der Selbstorganisation, eingeführt. Ich war dafür zuständig, dass die Umstellung auf das neue System die Menschen mit berücksichtigt. Das heißt, dass ich viele Schulungen gegeben habe, was Holacracy ist und warum es eine gute Idee ist. Ich habe außerdem Kolleg*innen, die neu ins Unternehmen gekommen sind, dabei unterstützt, sich im System Selbstorganisation zurecht zu finden.
In den letzten beiden Jahren war ich bei Adito zuständig, Selbstorganisation auszurollen. Nicht mehr streng nach Holacracy, sondern auf das Unternehmen zugeschnitten.

Sebastian: Wie können Stärken helfen, um besser in Rollen zu arbeiten?

Patrick: Vor allem das Auffinden der passenden Rolle fällt leichter. Kenne ich meine Stärken, weiß ich welche Rolle gut zu mir passt. Ein Beispiel: Wir haben zwei Entwicklerinnen, die neu ins Unternehmen kommen.
Entwicklerin A weiß, dass sie die Stärken Kreativität und Netzwerken besitzt. Sie könnte z.B. die Rolle bevorzugen, in der sie für das Design der Websites zuständig ist. Zum einen kann sie sich kreativ ausleben und zum anderen kann sie immer wieder in Kontakt mit Kund*innen treten und ihr Bedürfnis nach Netzwerken ausleben.

Entwicklerin B hat vielleicht ganz andere Stärken: Sie hat Logik, Struktur und Achtsamkeit. Sie liebt es, sich stundenlang in einen Code reinzufuchsen und zu programmieren. Sie braucht viel ungestörte Zeit, um Aufgaben abzuarbeiten.

Auch wenn bei beiden Damen im Arbeitsvertrag „Entwicklerin“ steht, haben sie unterschiedliche Rollen mit ganz unterschiedlichen Aufgaben und Entscheidungsbereichen.

Sebastian: Für wie hilfreich schätzt du das Wissen über die eigenen Bedürfnisse ein?

Patrick: Das ist natürlich dann interessant, wenn ich in bestimmten Rollen, meine Leidenschaften und Vorlieben ausleben kann. Um beim Beispiel von gerade eben zu bleiben:
Entwicklerin A wird sich in Rollen wohlfühlen, in denen sie kreativen Austausch mit anderen hat. Entwicklerin B braucht dagegen eher eine ruhigeres Arbeitsumfeld. Das Wissen um die Bedürfnisse ist ein guter Wegweiser, was ich brauche, damit es mir gut geht.
Sowohl beim Suchen bzw. Auffinden der richtigen Rollen und vor allem beim Füllen der Rolle mit Leben ist es extrem hilfreich, die eigenen Bedürfnisse zu kennen.

Sebastian: Du hast vorhin noch eine Idee ins Spiel gebracht, wie die Arbeit in Rollen von der Stärken-Orientierung profitieren könnte.

Patrick: Ja, genau. Es gibt bisher ein ungelöstes Problem: Es gibt zwar Tools wie Glassfrog, die die unterschiedlichen Rollen und ihre Zuständigkeiten sichtbar machen. Das ist auch wichtig und hilfreich. Was es noch nicht gibt, ist ein System, in dem jede*r erkennen kann, welche Stärken es braucht, um die Rolle gut auszufüllen. Dann könnten wir die Rolle noch deutlicher beschreiben und vor allem wäre ein Matching zwischen der zu besetzenden Rolle und Interessent*innen viel leichter darstellbar.
Wäre das nicht ein schönes neues Projekt für den StärkenEffekt?

Sebastian: Jetzt kommt erstmal die englische Version des StärkenRadars und ein StärkenRadar für Jugendliche. Dann können wir uns gerne mal hinsetzen und schauen, ob wir sowas vielleicht zusammen bauen.
Ganz herzlichen Dank für deine Zeit, Patrick. Jedes Mal wieder ein Fest, mit dir zu sprechen!

Patrick Kuglmeier Selbstorganisation und Stärken

Selbstorganisation und Stärken

Patrick Kuglmeier

Gründer von Humanize.works