Eure brandneuen und jungen Mitarbeiter*innen bringen viele Stärken mit. Häufig sind sie sich ihrer Stärken noch nicht bewusst. Es gilt also, gemeinsam zu schauen, was denn da alles in ihnen schlummert. Gut für´s Unternehmen, weil ihr dann auch wisst, wo ihr die jungen Leute gut einsetzen könnt. Und gut für die Azubis, weil es ihr Selbstbewusstsein stärkt und sie vor allem spüren, dass sie gesehen und gehört werden. Das ist echte Wertschätzung. Sie führt dazu, dass euch eure Schützlinge auch treu bleiben.

Stärken im Vorstellungsgespräch

Es sollte sich rumgesprochen haben, dass die Frage “Wo liegen Ihre Schwächen?” im Vorstellungsgespräch ausgedient hat. Erstens zwingt sie die Bewerber*innen, etwas Negatives über sich selbst erzählen. Und das in einer Situation, in der sie eigentlich für sich werben sollen (Be-Werb-ung). Zweitens ist in der langen Geschichte dieser dämlichen Frage wohl noch nie eine brauchbare Antwort gefallen. “Ich bin manchmal zu perfektionisitisch” oder “Ich bin in manchen Stellen zu ehrgeizig” bekommen Personaler*innen sicher häufig zu hören. Stärken werden als Schwächen verkauft. Bringt niemanden weiter. Und stimmungsförderlich ist die Frage sicher auch nicht.

Viel interessanter ist es doch, von Anfang an ein Gefühl zu bekommen, wie der junge Mensch mir gegenüber so tickt:

Was kann sie/er gut?
Was braucht sie/er, um gute Arbeit zu leisten?
Wo zieht es sie/ihn hin?
Welche Rollen könnte sie/er gut im Unternehmen einnehmen?
Wo wird sie/er schnell lernen?

Der Blick auf die Stärken der Bewerber*innen gibt Antworten auf genau diese Fragen. Die Stärken verraten nämlich neben dem Können auch, welche Bedürfnisse jemand mitbringt und was sie/ihn für das Unternehmen wertvoll macht.

Viele Firmen ermöglichen allen Bewerber*innen, einen Stärken Check kostenfrei durchzuführen. Die Bewerber*innen stellen sich im Gespräch mit Hilfe ihrer Stärken vor. Bringen also ganz konkrete Beispiele mit, wann und wo sie diese Stärken bereits gelebt haben.

Luisa davon erzählen, dass sie ihre Entscheidungsfreude als Spielführerin beim Fußball ausleben kann.

Marc setzt seine Stärken Empathie und Logik in der Nachhilfe ein und weiß deshalb ganz genau, wie er jemandem maßgeschneidert Mathe beibringen kann.

Mike hat mit seiner Stärke Strategie aus seiner Leidenschaft zu Sneakern ein eigenes kleines Business neben der Schule aufgebaut und verkauft teure Turnschuhe im Netz.

Durch die ganz konkreten und persönlichen Beispiele bekommst du als Personal-Profi sehr schnell ein Gefühl für die Person, die dir gegenüber sitzt. Es entstehen Bilder der geschilderten Situationen in deinem Kopf, die viel hilfreicher sind als die fürchterlichen Worthülsen wie “Ich bin eine Teamplayerin” oder “Ich bin zuverlässig”.

Der Fokus auf die Stärken erleichtert dir die Entscheidung, ob der junge Mensch gut zu eurem Unternehmen passt und du bekommst schon erste Hinweise darauf, an welcher Stelle sie/er gut aufgehoben wäre.

Und genauso schaut es auch anders herum aus: Viele Azubis entscheiden sich für den Arbeitgeber, der sich für sie ernsthaft interessiert. Originalton eines Bank-Azubis aus München: “Ich habe drei Angebote von unterschiedlichen Banken gehabt. Hätten mich alle genommen. Hier haben sie ein echtes Interesse, was ich kann und wollen mich fördern. Bei den anderen Vorstellungsgesprächen hatte ich nicht das Gefühl.”

Stärken-Workshop für Auszubildende

Für eine Bank und einen Automobilhersteller durfte ich über mehrere Jahre Stärken-Workshops geben. Und zwar gleich zum Start der Ausbildung. Die jungen Leute kannten sich also erst ein paar Tage.
Einen Tag lang geht es diesen Workshops nur um die Stärken und Bedürfnisse der neuen Mitarbeiter*innen.
Interessant für die Azubis selbst: Die wenigsten wissen nämlich, was sie auszeichnet, welche Stärken sie besitzen und vor allem was sie brauchen, um gute Arbeit zu leisten. Kurze Randnotiz: Das geht den meisten Erwachsenen übrigens auch so.

Für die Ausbilder*innen ist dieser Tag natürlich genauso interessant. Einen ersten Eindruck konnten sie ja schon gewinnen. Aus dem Vorstellungsgespräch und den ersten Tagen der Ausbildung. Jetzt geht’s aber ans Eingemachte.

Die Azubis stellen ihre Stärken wieder mit ganz konkreten Beispielen in der Gruppe vor. Von ihren Azubi-Kolleg*innen bekommen sie Feedback zum Gehörten:

“Welche Stärken habe ich schon in den letzten Tag ganz deutlich sehen können?”
“Welche Rollen hast du in der kurzen Zeit schon im Azubi-Team eingenommen?”
“Wann hab ich deine Begeisterung gespürt?”
“Was glaube ich, wird dir in der Ausbildung spielerisch leicht fallen?”
“Was macht dich wertvoll für´s Azubi-Team?”

Es ist förmlich spürbar, wie das Vertrauen der Azubis wächst und sie stärker zusammenwachsen. Und die Ausbilder*innen bekommen ein noch besseres Gespür, wie die neuen Schützlinge ticken.

Selbstverständlich hat auch die/der Ausbilder*in die Möglichkeit die eigenen Stärken zu präsentieren und Rückmeldung von den jungen Kolleg*innen zu bekommen. Die Azubis wissen so auch sehr schnell, wie sie mit der/dem Ausbilder*in kommunizieren und umgehen können, um ein gutes Verhältnis untereinander aufzubauen.

Stärken-orientierter Einsatz der Azubis im Unternehmen

Im nächsten Schritt können die Ausbilder*innen auch schauen, wer wo im Unternehmen gut eingesetzt werden könnte:

“Wer wird an welchen Aufgaben große Freude haben?”
“In welchen Bereichen kann wer von Anfang an Verantwortung übernehmen?”
“Wer kann Bindeglied zwischen den Azubis und uns sein?”
“Welche*r Azubi bringt Wissen ins Unternehmen, das wertvoll sein kann?”
“Wer hat ein gutes Gespür für die Gruppe und kann uns Bescheid geben, wenn etwas im Argen liegt?”
“Welche*r Azubi kann andere Azubis in ihrer Entwicklung unterstützen?”

Auch klar, dass es in der Ausbildung viele Vorgaben gibt und sie kein reines Wunschkonzert sein kann. Wenn Azubis allerdings von Anfang an sehen, dass ihre Stärken erkannt und eingesetzt werden, fühlen sie sich gesehen und damit auch wertgeschätzt.

In Entwicklungsgesprächen oder auch ganz informell im Gespräch auf dem Flur können Azubi und Ausbilder*in immer wieder schauen, ob die Stärken und auch die Bedürfnisse der Azubis überhaupt zum Einsatz kommen. So erkennen die Ausbilder*innen sehr schnell, welche Abteilungen und Aufgaben gut zur/m Azubi passen.

Wenn die ureigenen Stärken und Bedürfnissen der Azubis erkannt werden, ist aus unserer Sicht Wertschätzung pur. Sie sorgt dafür, dass die Bindung an den Ausbildungsbetrieb ständig wächst.

Wenn ihr Lust bekommen habt, euren Azubis was Gutes zu tun, hier geht´s zum Azubi-Stärken-Tag: https://www.staerkeneffekt.de/coachings-workshops/azubi-staerken/

Bildquelle: Unsplash Toa Heftiba