Für die allermeisten Menschen ist es eine der schwierigsten Fragen überhaupt: Wie finde ich den richtigen Beruf? Deine Stärken können hervorragende Wegweiser sein, um den richtigen Beruf für dich herauszufinden.
„Und, was möchtest du später mal werden?“
Diese Frage wird gerne mal 5-Jährigen gestellt. Selten haben wir in diesem Alter die richtige Antwort parat. Und auch 10 oder 15 Jahre später, wenn es um die Berufs- oder Studienwahl geht, fällt uns das Antworten schwer.
Es ist auch eine verdammt schwierige Frage. Denn sie ist ganz schön komplex:
Unser Beruf soll sicher sein.
Er soll gut bezahlt sein.
Er soll auch gut zu uns passen.
Unser Umfeld sollte einverstanden sein mit unserer Wahl.
Und im Idealfall soll der Beruf auch noch Spaß machen.
Unsere Betriebsblindheit macht die Berufswahl noch schwieriger
Dazu kommt noch, dass wir Menschen oft betriebsblind für uns selbst sind. Was passt denn gut zu mir? Was würde mir denn auch über einen längeren Zeitraum Freude bereiten? Das sind keine einfach zu beantwortenden Fragen. Diese Antworten wollen erarbeitet werden. Wie du Antworten auf diese Fragen bekommst, erfährst du weiter unten.
Uns fehlt schlicht die Erfahrung. Vielleicht haben wir ein, zwei Praktika hinter uns gebracht, plus den ein oder anderen Ferienjob. Mit ein bisschen Glück haben wir dort Einblicke in die Arbeitswelt gewonnen. Viel zu häufig aber sitzen wir die Praktikumszeit nur ab und wissen eher, was wir garantiert nicht wollen. Ansonsten kennen wir noch die Berufe unserer Eltern. Dann hört aber unser Horizont schon auf.
Eine fundierte Entscheidung, welcher Beruf oder welches Studium zu uns passt, ist also kaum zu treffen.
Druck, den richtigen Job zu finden
Gleichzeitig setzen wir uns auch unter Druck oder verspüren Druck von Familie und Freunden:
Es wäre schon gut, wenn du dich gleich von Anfang an „richtig“ entscheidest.
Unser Kopf gaukelt uns vor, als wäre es eine Entscheidung, die wir nie mehr im Leben revidieren können. Dabei ist das natürlich ein Hirngespinst: So viele Menschen arbeiten heute in einem völlig anderen Job, der mit der ursprünglichen Ausbildung/Studium nur wenig oder nichts mehr zu tun hat.
Eine weitreichende Entscheidung
Ein Wechsel später ist also immer noch möglich. Gerne würden wir uns natürlich gleich von Anfang an „richtig“ entscheiden. Schließlich hat die Berufswahl große Auswirkungen auf unsere anderen Lebensbereiche. Wir verbringen auf der Arbeit mehr Zeit als mit unserer Familie und mit Freunden. Und unsere Arbeitserfahrung tragen wir auch mit in unseren Privatleben. Haben wir einen schlechten Tag auf der Arbeit, kommen wir erschöpft oder gereizt nach Hause.
Erfahren wir Erfüllung in unserem Beruf, wird sich das sehr positiv auf die anderen Bereiche unseres Lebens ausstrahlen. Wir sind gelassener, zufriedener, ausgeglichener usw. Das spüren natürlich die Menschen in unserem Umfeld und beeinflusst auch die Beziehungen zu ihnen.
Weg-von und Hin-zu
Viele Menschen stehen nicht nur bei der ersten Berufs- und Studienorientierung vor der Frage, welcher Beruf zu ihnen passt. Sondern natürlich auch, wenn ein Jobwechsel ansteht. Dann beginnt das Spiel von vorne.
Mit etwas mehr Berufserfahrung im Gepäck könnte man davon ausgehen, dass es jetzt viel leichter wäre, den passenden Job zu finden. Leider ist das aber oft nicht so.
Wir können zwar ziemlich genau beschreiben, was wir nicht wollen. Wir kennen also unser Weg-von. Aber es fällt uns weiterhin schwer, zu sagen, wo es uns hinzieht. Es fehlt uns das Hin-zu.
Von Maslow, dem Vater der Bedürfnispyramide, stammt folgendes Zitat:
„Es ist eine herausragende psychologische Leistung, zu wissen, was wir wollen.“
Einen Beruf finden, der zu mir passt
Der Beruf soll also zu uns passen. Nicht wir zum Beruf. Die Suche packen sie aber ganz anders an! Sie durchstöbern das Netz und schauen bei Stellenausschreibungen, ob sie dieses Profil ausfüllen könnten. Sie überprüfen also, ob sie zu dem Job passen. Nicht, ob der Job zu ihnen passt.
Deshalb ist die Suche für viele Leute auch so frustrierend. Erschwerend kommt hinzu, dass Stellenausschreibungen maßlos mit Anforderungen vollgeklatscht werden, dass man sich eigentlich unzulänglich fühlen muss.
Einen Beruf finden mit einem Online Test
Seit 2012 habe ich über 4500 Leute in Workshops und Coachings bei der Berufsorientierung begleitet. Bei einem Auftraggeber kamen auch sog. Berufsorientierungstests zum Einsatz. Das Versprechen ist natürlich verlockend: Ich investiere ein paar Euro und ein bisschen und Zeit und der Online Test spuckt mir meinen Traumberuf aus.
Wenn sich etwas zu gut anhört, um wahr zu sein, darf man schon mal skeptisch sein. Von den 12 Teilnehmer*innen in den Berufsorientierungs Workshops konnten im Schnitt 3-4 Leute mit den Ergebnissen überhaupt etwas anfangen. Dass der Test wirklich den Traumberuf vorgeschlagen hat, war etwa so selten wie ein Lottogewinn.
Ein Berufsorientierungstest kann uns nicht abnehmen, unser Hin-zu zu finden.
Die eigene Berufung finden
„Do what you love!“ oder „Du musst deine Berufung finden.“ sind gut gemeinte Ratschläge. Sie setzen uns aber nur zusätzlich unter Druck. Häufig können wir erst mit ein bisschen echter Berufserfahrung bestimmen, ob wir unseren Traumjob wirklich gefunden haben. Von Anfang an nur darauf zu warten, dass es nur den einen Traumjob gibt, lähmt eher bei der Wahl des richtigen Berufs.
Die eigene Berufung finden die meisten Menschen, indem sie Jobcrafting betreiben. Also aktiv nach Aufgaben übernehmen, die den eigenen Stärken und Bedürfnissen entsprechen. Mehr dazu findest du in diesem Blogartikel.
Wie erarbeitest du dir dein Hin-Zu?
Was machen wir also, wenn uns Online Berufe Tests nicht unseren Traumjob ausspucken? Wir erarbeiten uns Stück für Stück, wie ein guter Job für uns ausschauen sollte. Ja, er-arbeiten. Wenn du dir ein neues Auto kaufst, recherchierst du auch stundenlang im Netz. Das ist auch ganz schöne Arbeit.
Im Folgenden haben wir Fragen und Aufgaben für dich gesammelt, die dich deinem Hin-zu immer einen Schritt näher bringen werden. Bitte beantworte die Fragen schriftlich und so ausführlich wie möglich. Nur dann werden sie dir echte Erkenntnisse bringen.
⚡️Deine Stärken
Deine Stärken sind hervorragende Wegweiser, was dich besonders wertvoll macht und welche berufliche Rollen du gut ausfüllen könntest.
Wir zeigen dir 3 Möglichkeiten, deinen Stärken auf die Spur zu kommen.
1) Selbsteinschätzung
Schnapp dir Stift und Zettel und beantworte folgende Fragen schriftlich:
Was gelingt mir immer wieder mühelos?
Wann bitten mich andere um Hilfe?
Worin bin ich (ein bisschen) besser als andere?
Welche Tätigkeiten machen mir große Freude?
2) Fremdeinschätzung
Schicke an 3-4 Leute aus deinem Dunstkreis diese beiden Fragen per Mail:
Welche Top 5 Stärken erkennst du bei mir?
Wann hast du mich genau in meinem Element erlebt?
Du darfst dich jetzt schon auf die Rückmeldungen freuen.
3) StärkenRadar – die Abkürzung zu deinen Stärken
Unser hauseigener StärkenCheck ermittelt innerhalb einer Viertelstunde deine TOP8 Stärken. Und wir beschreiben die Rollen, die du gut ausfüllen kannst. Und du bekommst Einblicke in deine wichtigsten Bedürfnisse (siehe nächster Punkt). Das Ganze gibt’s für schlanke 29 Euro. Hier geht’s zum StärkenRadar.
⚡️Deine Bedürfnisse
Deine Bedürfnisse entscheiden darüber, ob du dich am Arbeitsplatz wohl fühlst und ob du deine Arbeit als sinnvoll empfindest. Hier ein paar Fragen, um deine Bedürfnisse herauszuschälen:
Was brauchst du, damit es dir gut geht? (Abwechslung, Ziele, Wir-Gefühl…)
Wann bist du richtig zufrieden mit deiner Arbeit? Und warum ist das so?
In welchem Umfeld fühlst du dich richtig wohl?
⚡️Deine Rollen
Bewusst oder unbewusst nehmen wir in Teams immer wieder ähnliche Rollen ein. Kümmerer*in, Motivator*in, Sparringspartner*in, die gute Seele, Strateg*in, Streitschlichter*in…
Welche Rolle ist dir wie auf den Leib geschneidert?
Welche Rolle wird dir immer wieder zugeschrieben, obwohl du nicht aktiv nach dieser Rolle gefragt hast?
Was macht dich für ein Team besonders wertvoll?
Auch hier gibt dir unser StärkenRadar Rückmeldung, welche Rollen du besonders gut ausfüllen kannst.
⚡️Deine Interessen
Auch deine Interessen können ordentlich Einfluss auf dein Hin-zu haben.
Zu welchen Aufgaben zieht es dich förmlich hin?
Worin kennst du dich besser aus als viele andere Menschen?
Was sind deine Lieblingsthemen, wenn du dich mit Gleichgesinnten unterhältst?
Wofür würdest du sogar Geld bezahlen, wenn du diese Aufgabe machen dürftest?
Bei welchen Tätigkeiten/Aufgaben vergeht die Zeit wie im Flug?
⚡️Deine Werte
Bei dieser Übung geht es darum, herauszufinden, was dir wirklich wichtig ist. Ein etwas ungewöhnlicher Ansatz, aber sehr wirkungsvoll. Und zwar sollst du deine eigene Geburtstagsrede zu deinem 80. Geburtstag schreiben.
Stell dir vor, du bist heute 80 geworden und schaust auf ein zufriedenes und erfolgreiches Leben zurück. Dein*e beste*r Freund*in hat eine Rede für dich vorbereitet. Was soll alles auf ihrem/seinem Zettel stehen?
Formuliere 10 Stichpunkte, die sie/er erwähnen soll. Keine Angst, Stichpunkte reichen wirklich. Du musst keine Rede schreiben.
Du darfst dabei in alle Lebensbereiche schauen: Familie, Beruf, Gesundheit, Finanzen… Besonders genau kannst du ja beim Bereich Beruf hinschauen. Schließlich geht es ja hier um deine Berufsorientierung.
Die Übung stammt aus Stephen R. Coveys Buch: Die 7 Wege der Effektivität. Fürchterlicher Titel, hervorragendes Buch. Absolute Leseempfehlung. Bitte bei der Buchhandlung um die Ecke bestellen. Nicht beim Riesen mit A… Erstere*r freut sich.
⚡️Deine Wünsche
Was willst du in deinem Leben erreichen? Vielleicht hat dich auch die Geburtstagsrede schon inspiriert und dir sind ein paar Wünsche klar geworden, die du für dein Leben hast.
Hier noch eine weitere Fragestellung, um deine Wünsche zu erkunden:
Was würdest du machen/umsetzen/starten, wenn du damit garantiert erfolgreich wärst (Scheitern ausgeschlossen) und gutes Geld damit verdienen würdest?
⚡️Dein Wesenskern
Wenn du alle Aufgaben schriftlich durchgeführt hast, kannst du sie jetzt vor dir ausbreiten. Um den Fokus mehr auf das Hin-zu zu richten, gibt es zum Abschluss noch eine Übung.
Lies dir dein Geschriebenes noch einmal durch.
Wähle 5 Begriffe aus, die dich als Person so gut wie möglich beschreiben. Ja, nur 5!
Das können Stärken, Wünsche, Bedürfnisse…sein. Du hast die freie Wahl.
Notiere die 5 Begriffe auf einem Zettel. Du hast jetzt deinen Wesenskern herausgeschält und bist deinem Hin-zu einen großen Schritt nähergekommen.
Gezielt suchen
Du weißt jetzt, was du mitbringst, wo es dich hinzieht und was dir wichtig ist. Jetzt kannst du gezielter nach Unternehmen suchen, die gut zu dir passen. Unfassbar viele Stellen werden auf dem „inoffziellen“ Arbeitsmarkt vergeben. Das heißt, das sind Stellen, die gar nicht oder nur kurz ausgeschrieben werden. Sie werden durch Beziehungen zu anderen Personen vergeben. Deshalb ist es sinnvoll, so vielen Menschen wie möglich davon zu erzählen, was du vorhast und wo es dich hinzieht.
Du wirst außerdem überrascht sein, wie positiv es von Personaler*innen eingeschätzt wird, wenn jemand weiße, was sie/er gut kann und was sie von einem Job erwartet. Die meisten kennen eben ihr Weg-von. Nur wenige ihr Hin-zu. Ein echter Wettbewerbsvorteil für dich.
Du wünschst dir Unterstützung?
Vielleicht hast du die Übungen durchgeführt, bist deinem Hin-zu schon ein bisschen näher gekommen, aber hast doch noch Fragezeichen im Kopf.
Wir haben unter unseren StärkenCoachs etliche Leute dabei, die seit etlichen Jahren Menschen bei der Berufs-Orientierung / Neu-Orientierung unterstützen.
Schreib mir gerne, wenn ich dir eine*n Kolleg*in empfehlen soll: sebastian@staerkeneffekt.de
Gute Neuigkeiten zum Schluss
Unsere Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren ganz schön verändert. Und zwar von Anbieter- zum Nachfrager-Markt. Heißt: Firmen haben im Moment ordentlich Schwierigkeiten, gute Leute zu finden. Unternehmen müssen sich also schon bei Interessent*innen bewerben, um im „War for Talent“ nicht leer auszugehen. Das ist vor allem gut für Wechselwillige und Quereinsteiger, die auf einmal die Chance bekommen, in der Lieblingsbranche Fuß zu fassen. Die Chancen stehen also gut für dich, wenn du dein Hin-zu kennst.
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