Das Impostor- oder auch Hochstapler-Syndrom sorgt dafür, dass wir unsere eigenen Fähigkeiten stark anzweifeln. Es schürt die Angst, entlarvt zu werden: „Hoffentlich merkt niemand, dass ich das eigentlich gar nicht kann“. Das Gefühl, Hochstapler*in zu sein, ist viel weiter verbreitet, als man sich das vorstellen kann. Im Blogartikel geben wir dir praktische Tipps, wie du mit Hilfe deiner Stärken dem Syndrom von Anfang an die Stirn bieten kannst.
Die Bedeutung des Impostor- / Imposter-Syndroms
Der Begriff Imposter- oder Hochstapler-Syndrom ist umstritten, weil es sich dabei nicht um eine eigenständige Krankheit handelt. Sonder um ein Persönlichkeitsmerkmal. Professorin Sonja Rohrmann schlägt den Begriff Hochstapler-Selbstkonzept vor.*
Bei diesem Selbstkonzept gehen die Betroffenen davon aus, dass sie ihren Erfolg nicht verdient hätten. Nur Zufall, gutes Timing oder einfach pures Glück sollen die einzigen Erfolgstreiber sein. Ständige Begleiterin ist die Angst, als Hochstapler*in entlarvt zu werden.
Symptome wie Selbstzweifel, übertriebener Perfektionismus und sehr hohe Anforderungen an sich selbst treten beim Imposter-Syndrom auf.
Die Verbreitung des Impostor-Phänomens
Das Imposter-Syndrom ist deutlich weiter verbreitet als vermutet: Laut Professorin Rohrmann ist rund die Hälfte aller erfolgreichen Menschen betroffen. Männlein und Weiblein gleichermaßen.
Die Collaboration Platform Asana rechnet in ihrer eigenen Studie sogar mit 62% Verbreitung.**
Das Hochstapler-Syndrom kann z.B. auftreten, wenn jemand einen neuen Job anfängt und anfänglich Schwierigkeiten hat, alle neuen Informationen zu verarbeiten. Es tritt aber auch sehr häufig auf, wenn Menschen schon die Karriereleiter deutlich weiter nach oben geklettert sind.
Das Imposter-Syndrom hat viele Gesichter
An sich selbst hin und wieder zu zweifeln, kennen wir wohl alle. Beim Imposter-Syndrom besteht allerdings ein großes Gap bezwischen dem objektiv Erreichten und der eigenen Wahrnehmung. Erfolge werden kleingeredet, Lob kann nur schwer angenommen werden, und die Ursachen des (beruflichen) Erfolgs werden eher außerhalb gesucht: „Ich hatte einfach Glück.“
Je nach Stärke der Ausprägung führt das Imposter-Selbstkonzept zu folgenden Ausprägungen:
+ übertriebener Perfektionismus
+ ständige Unzufriedenheit mit sich selbst, auch bei objektiven Erfolgen
+ zu starker, selbst auferlegter Leistungsdruck
+ das Gefühl, isoliert zu sein oder sich absondern zu müssen
+ Versagensängste
+ Unbewusste Sabotage des eigenen Erfolgs
+ Verschlechterung der psychischen Gesundheit und Resilienz
+ Burnout / Burnout-ähnliche Symptome
Imposter-Syndrom Test
1985 hat zwar Dr. Pauline Rose Clance eine Skala veröffentlicht, um das Hochstapler-Syndrom zu messen, die sogenannte Clance Imposter Phenomenon Scale (CIP).*** Die Skala wurde allerdings von mehreren Forscher*innen stark kritisiert und hat dadurch auch an Bedeutung verloren.
Im Netz kursieren etliche nicht-wissenschaftliche oder pseudowissenschaftliche Impostor Test Verfahren, die aber häufig wie eine BRAVO-Umfrage wie z.B. „Bin ich ein Flirt-Talent?“ wirken.
Hier ein paar nützliche Fragen für dich zur Selbstreflexion:
Wie häufig und wie stark verspüre ich Versagensangst bei meiner täglichen Arbeit?
Fällt es mir schwer, Lob überhaupt an mich heranzulassen, geschweigedenn es anzunehmen?
Wie oft gebe ich vor, viel stärker zu sein, als ich eigentlich bin?
Wie stark ist meine Angst, dass jemand mich „entlarven“ könnte, dass ich vorgebe etwas zu sein, was ich nicht bin?
Beeinträchtigt mein hoher Anspruch an mich selbst meine psychische und/oder körperliche Gesundheit
Die Wurzeln des Imposter-Syndroms
Das Impostor-Phänomen kann durch ganz verschiedene Faktoren ausgelöst werden:
+ Persönlichkeitsmerkmale: ein von Haus aus geringes Selbstwertgefühl und hoher Perfektionismus
+ Lob und Kritik im Elternhaus: wie starkes Lob für Leistungen, die Erfolgsdruck auslösen können („Ich bin nur dann wertvoll, wenn ich Leistung zeige“) oder auf der anderen Seite sehr kritische Erziehung (Fehler oder aus der Sicht der Eltern fehlerhaftes Verhalten stehen im Vordergrund
+ Überbehütete Kindheit/Erziehung: Die Person traut es sich nicht zu, große Herausforderungen alleine zu meistern
+ Familiäre Dynamiken: frühe Rollenzuschreibungen „das intelligente Kind“ / „leistungsstarke Kind“ für die betroffene Person selbst oder für Geschwister
+ Soziale Rahmenbedingungen: z.B. wenn die betroffene Person als erste in der Familie eine Hochschule/Universität besucht
+ Erlebte Überforderung im beruflichen Kontext z.B. bei zu hoher Arbeitslast, neuen Aufgaben usw.
Wege aus dem Impostor-Syndrom
Professorin Rohrmann vertritt die Meinung: „Die effektivste Therapie ist, das Problem zu erkennen. (…) Für viele Betroffene reicht es dann völlig aus, Selbsthilfemaßnahmen umzusetzen.“ ****
Rohrmann empfiehlt:
1. Halte deine Erfolge und Fortschritte schriftlich fest
2. Hole dir Feedback ein, um eine realistischeres Selbstbild zu formen
3. Teile Ängste und Sorgen mit deinem sozialen Umfeld
Deine Stärken helfen dir, gegen das Imposter-Syndrom vorzugehen
Du findest hier zwei Übungen, die auf die ersten beiden Empfehlungen von Professorin Rohrmann einzahlen:
1. Halte deine Erfolge und Fortschritte schriftlich fest
Notiere drei Situationen oder Herausforderungen in den letzten 3 Monaten, die du gemeistert hast. Auch wenn du davor großen Respekt hattest.
Unter jede der drei Situationen schreibst du alle Stärken auf, die dir geholfen haben, ans Ziel zu kommen. Finde mindestens 5 Stärken pro Situation.
Überlege dir: Welche der aufgelisteten Stärken helfen dir, auch deine nächste anstehende Herausforderung zu meistern?
Sollte es dir schwer fallen, deine Stärken zu benennen, kannst du deine Stärken in nur 15 Minuten herausfiltern lassen. Hier geht’s zum StärkenRadar.
2. Hole dir Feedback ein, um eine realistischeres Selbstbild zu formen
Befrage via E-Mail 3-5 Personen aus deinem Umfeld, welche Stärken sie an dir schätzen.
Und hier sind die 3 Fragen, die du verschicken kannst:
„Was sind deiner Meinung nach meine fünf größten Stärken?“
„In welchen Situationen werden meine Stärken besonders deutlich?“
„Wann hast du mich genau in meinem Element erlebt? Und welche Stärken kamen da zum Vorschein?“
Wichtige Hinweise:
Gib den Befragten bitte Zeit für die Fremdeinschätzung!
Mache sie darauf aufmerksam, dass es ausschließlich um positives Feedback geht. Also um das, was Du gut kannst. Schwächen spielen hier und heute keine Rolle. Achte außerdem bei der Auswahl deiner Feedback-Geber*innen darauf, dass du ihnen vertraust.
Diese Übung stammt aus dem Videotraining StärkenRadar Plus. Es gibt keinen besseren Weg, um deine Stärken so schnell wie möglich und ganz bewusst in deinen Alltag zu integrieren.
Wie deine Stärken gegen das Impostor-Syndrom helfen
Zum einen kannst du mit den Übungen oben nach ganz konkreten Situationen suchen, die auch objektiv als Erfolg gesehen werden können.
Zweitens verknüpfst du deine Erfolge mit deinen Stärken. Du verstehst, dass du selbst einen gehörigen Anteil an den Erfolgen hattest.
Außerdem wirst du feststellen, dass du deine Stärken bewusst oder unbewusst in ganz unterschiedlichen Situationen einsetzt. Sie sind wie Werkzeuge, die du je nach Herausforderung aktiv auswählen und nutzen kannst.
Die Fremdeinschätzung sorgt dafür, dass du deine Vermutungen über die eigenen Stärken verifizieren lassen kannst. Du wirst sicher Überschneidungen zwischen deiner Selbsteinschätzung und dem Feedback aus deinem Umfeld feststellen.
Darüberhinaus bekommst du sicher auch noch Stärken von außen gespiegelt, die du bisher noch nicht auf dem Schirm hattest.
Das alles hilft dir dabei, dein Imposter-Selbstkonzept kleinzuhalten oder zurückzudrängen.****
Und eins ist uns noch wichtig. So wichtig, dass wir es als unsere Mission sehen, es dir mit auf den Weg zu geben:
In dir steckt viel mehr als du denkst! Du und deine Stärken, ihr seid einzigartig.
Mehr dazu liest du auch in diesem Evergreen-Blogartikel: Wie du ganz einfach dein Selbstbewusstsein stärken kannst.