Wer sich auf ein Vorstellungsgespräch vorbereitet, wird unweigerlich auf die Themen Stärken und Schwächen stoßen. In diesem Artikel zeigen wir dir, warum es sinnvoll ist, dich auf deine Stärken zu konzentrieren und wie du gekonnt auf die Schwächen-Frage reagieren kannst.
Warum wirst du überhaupt im Vorstellungsgespräch nach deinen Schwächen gefragt?
Viele Personaler*innen glauben immer noch, dass es eine gute Idee ist, die Bewerber*innen nach ihren Schwächen im Vorstellungsgespräch zu fragen. Sie haben die Hoffnung, dass sie durch die Antworten sozusagen in letzter Sekunde die “falschen” Bewerber aussortieren können. Gleichzeitig bedeutet die Schwächenfrage aber auch immer eine Art Bloßstellung, der sich die/der Bewerber*in unterziehen muss. Es steckt ja schon im Wort Be-werbung, dass die Person Werbung in eigener Sache machen möchte. Und nicht unbedingt darauf aus ist, die eigenen schwachen Seiten offen legen zu müssen – die wir ja natürlich auch alle haben.
Hat die Frage nach den Schwächen im Vorstellungsgespräch überhaupt eine Aussagekraft?
Wer schon Einstellungs-Interviews geführt hat und ganz ehrlich ist, wird die Frage garantiert mit einem deutlichen Nein beantworten. Häufig kommen als Antwort Floskeln wie: “Ich bin schon eher ungeduldig.” oder “Eine Schwäche ist mein Perfektionismus.”. Bewerber*innen versuchen mit diesen Beschreibungen eine Stärke als Schwäche zu formulieren. In unseren Beispielen können die Sätze auch folgendermaßen interpretiert werden:
“Ich bin schon eher ungeduldig.” = “Ich bin umsetzungsstark!”
“Eine Schwäche ist mein Perfektionismus” = “Ich erledige meine Sachen pflichtbewusst.”
Von den allermeisten Personaler*innen wird dieses Spielchen natürlich schnell durchschaut. Aber: selbst schuld, schließlich haben sie mit dem Spielchen angefangen.
Was ist überhaupt eine Schwäche?
Es lohnt sich, einmal zu betrachten, was überhaupt eine Schwäche ist. In der Stärken-Orientierung gehen wir davon aus, dass der Mensch eine ureigene Kombination an Stärken mit sich bringt. Diese Kombination macht den Menschen einzigartig und steuert – bewusst oder unbewusst – seine Denk-, Gefühls- und Verhaltensmuster.
Die eigenen Stärken sind also nützliche Werkzeuge, um neue Herausforderungen zu meistern und eigene Ziele zu erreichen.
Wenn jemand die eigenen Stärken allerdings zu heftig einsetzt, können sie sogar im Weg stehen oder ihr/ihm sogar schaden. Dann sprechen wir von einer Schwäche.
Hier ein Beispiel: Stell dir jemanden vor, dessen Stärke Fokussierung sehr ausgeprägt ist. Diese Person kann sich lange auf eine einzige Aufgabe konzentrieren, ist sehr stringent in der Zielerreichung und braucht auch niemanden der sie motiviert.
Die Schattenseite und damit die Schwäche kommt zum Vorschein, wenn die Stärke Fokussierung zu exzessiv gelebt wird: Die Person wird besessen von der Zielerreichung und damit engstirnig, vernachlässigt vielleicht sogar Familienmitglieder und arbeitet so lange, bis sie umkippt. Nur, um das gesteckte Ziel zu erreichen. Die eigentliche Stärke “kippt” also zu einer Schwäche.
Wie findest du deine Stärken und deine echten Schwächen heraus?
Selbsteinschätzung
Ein guter, wenn auch aufwändiger Weg, deine Stärken herauszufinden ist es, dich selbst ein paar Tage zu beobachten und dir folgende Fragen am besten schriftlich zu beantworten:
Was geht mir immer wieder leicht von der Hand?
Wann bin ich genau in meinem Element und welche Stärken setze ich in diesen Momenten ein?
Welche Tätigkeiten machen mir große Freude?
Wann bitten mich andere Menschen um Hilfe und welche Stärken kommen dabei zum Tragen?
Deine Schwächen kannst du mit diesen Fragen herausarbeiten:
Wann machen mir die Aufgaben, die ich eigentlich ganz gerne mag, keine Freude mehr?
Wann bin ich zu verbissen, zu verspielt, zu gutmütig, zu entschlossen, zu uneinsichtig…?
Wann tue ich mir selbst nicht gut?
Mit welchem Verhalten stoße ich bei anderen Menschen immer wieder auf Gegenwehr?
Fremdeinschätzung
Du kannst natürlich auch von Freunden, Verwandten und Arbeitskolleg*innen eine Fremdeinschätzung einholen. Diese Fragen kannst du den Feedback-Gebern zur Verfügung stellen:
Welche Stärken sind deiner Meinung nach am deutlichsten bei mir ausgeprägt?
In welchen Situationen bin ich hilfreich für´s Team/Freundeskreis?
Gibt es auch Situationen, in denen ich es mit meinen Stärken übertreibe?
Online-Stärken-Check
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Mit den Stärken im Vorstellungsgespräch Werbung für dich selbst machen
Konzentriere dich in der Vorbereitung auf das Vorstellungsgespräch weniger auf deine Schwächen. Lass gezielt deine Stärken ins Gespräch einfließen. Wir wissen ja, Bewerbung kommt von Werbung.
Wenn du nach den einzelnen Stationen in deinem Lebenslauf gefragt wirst, kannst immer wieder – ganz beiläufig – deine Stärken einflechten.Hier ein paar Beispiele:
“Ich mag es einfach, mich mit Leuten auszutauschen. Und so bin ich dann über einen Kontakt an die Stelle im Verkauf gekommen.” (Stärke: Netzwerken)
“Mir macht es Spaß, Neues zu lernen. Ich hab mich dann damals in die neue Software reingefuchst und bin dadurch an den Projektleiter-Posten gekommen.” (Stärke: Expertise)
“Meine Kolleg*innen haben in den Meetings sofort auf mich gezeigt, wenn es um die Organisation eines Events ging. Das fällt mir einfach leicht.” (Stärke: Organisieren)
Mit diesen Formulierungen umgehst du auch das Gefühl, dich selbst zu hoch anzupreisen. Viele Menschen haben immer noch den Spruch “Eigenlob stinkt” im Hinterkopf.
Übertriebenes Selbstbewusstsein ist tatsächlich auch kein schöner Charakterzug. Allerdings ist ein gesundes Selbstvertrauen ein deutlicher Pluspunkt in Vorstellungsgesprächen. Und ob du willst oder nicht.
Im Vorstellungsgespräch ist deine einzige Aufgabe, gute Werbung für dich selbst zu machen. Eine vernünftige Vorbereitung zu deinen Stärken ist deshalb eine gute Investition.
Was kannst du tun, wenn du trotzdem zu deinen Schwächen im Vorstellungsgespräch befragt wirst?
Ein paar Personaler*innen arbeiten immer noch mit vorgefertigten Standard-Fragebögen. Dort halten sich seit Jahren wacker auch Fragen zu den Schwächen im Vorstellungsgespräch.
Sollte dir die Schwächen-Frage gestellt werden, hast du folgende Möglichkeiten:
Stärken im Fokus der Vorbereitung
Du kannst den Interviewpartner*innen deutlich machen, dass du dich sehr intensiv auf das Gespräch vorbereitet hast, weil dir der Termin sehr wichtig ist. Im Mittelpunkt deiner Vorbereitung standen allerdings deine Stärken. Weniger deine Schwächen. Deshalb fällt es dir schwer, auf Anhieb eine Schwäche zu benennen.
Gekippte Stärke anbieten und Lösungsweg aufzeigen
Sollten deine Interview-Partner*innen auf deine Schwächen-Antwort bestehen, kannst du ihnen von der Schattenseite einer deiner Stärken erzählen. Dabei solltest du natürlich darauf achten, dass diese Schattenseite dir bei der Ausübung der neuen Tätigkeit nicht im Weg steht. Und du kannst ihnen berichten, wie du es gelernt hast, deine Stärke nicht in die Schwäche kippen zu lassen. Ein Beispiel:
“Ich habe ja vorhin erzählt, dass ich sehr zielstrebig bin. Manchmal ist es aber so, dass mir die Fokussierung nicht gut tut, weil ich dann einen zu engen Blick bekomme. Dann sehe ich andere Lösungen nicht, die einfacher wären. Deshalb habe ich mir jetzt angewöhnt, bei jedem Meilenstein, eine Kollegin zu befragen, wie sie vorgehen würde. Das macht den Blick wieder weit.”
Was solltest du tun, wenn im neuen Job genau das gefragt ist, was eigentlich deine Schwäche ist?
Die Antwort ist ganz einfach: Bewirb dich erst gar nicht um die Stelle!
Stell dir vor, du kommst irgendwie durchs Vorstellungsgespräch und konntest deine Schwächen gut verstecken. Ab Tag 1 wird von dir allerdings verlangt, dass du genau das tust, was dir schwer fällt und dir auch keine Freude bereitet. Hört sich das nach einem zufriedenstellenden Berufsleben an?
Hier noch ein Beispiel:
Eine Anwältin war bei mir in der Beratung. Ihr große Stärke ist “Harmonie”. Heißt: sie kann hervorragend zwischen unterschiedlichen Parteien vermitteln und einen gemeinsamen Nenner herstellen. Die Schattenseite: Es fällt ihr schwer, Menschen vor vollendete Tatsachen zu stellen und eine Entscheidung gegen den Willen anderer durchzupressen.
Die Dame wollte sich um eine Stelle bewerben, in der es darum ging, bei Beschwerden von Kunden knallhart die Interessen der Firma zu vertreten. Bei “Nichteinsicht” der Kunden sollte sie den Servicevertrag sofort kündigen.
In der Beratung wollte sie von mir wissen, wie sie ihre Schwäche im Vorstellungsgespräch gut verkaufen könnte.
Aus meiner Sicht war das aber überhaupt nicht die entscheidende Frage. Die viel wichtigere Frage war: Warum wollen Sie sich diese Stelle denn überhaupt zumuten?
Anstatt an ihrer Antwort auf die Schwächen-Frage “herumzubasteln” haben wir gemeinsam geschaut, in welchem beruflichen Umfeld sie besser aufgehoben ist. Und zwar in einem Umfeld, in dem genau ihre Stärken auch gefragt sind.
Deshalb zum Abschluss noch das Wort zum Sonntag:
Beschäftige dich in der Vorbereitung überwiegend mit deinen Stärken! Finde heraus, was du gut kannst, was du brauchst und was dich wertvoll macht.
Wenn für die ausgeschriebene Stelle ganz andere Stärken benötigt werden und du dich tagtäglich verstellen müsstest, dann ist es nicht dein Job!
Und ganz wichtig: Nicht nur du bewirbst dich um die Stelle. Im Vorstellungsgespräch bewirbt sich auch das Unternehmen bei dir!