Empowerment heißt nicht, Menschen zu „befähigen“, das Beste aus sich herauszuholen. Beim Begriff „Befähigung“ schwingt immer mit, dass die Person es nicht alleine schaffen würde. Vielmehr geht es darum, den Mitarbeiter*innen den Raum zu geben, so zu sein wie sie sind. Denn genau das macht sie wertvoll fürs eigene Unternehmen.
Wo hat der Begriff Empowerment seinen Ursprung?
Der Begriff Empowerment stammt ursprünglich aus dem Umfeld der psychosozialen Arbeit. Wörtlich übersetzt bedeutet er: Selbstbefähigung oder Selbstbemächtigung, Stärkung von Autonomie und Lebenssouveränität.
Die einzelne Person kann also lernen, ihre eigenen Ressourcen zu nutzen, um eine Situation oder einen Lebensumstand zu meistern.
Empowerment kommt also von innen heraus.
Empowerment im Rahmen von New Work und Agilität
Auch hier können wir zwischen der Einzelperson und der Gruppe unterscheiden. Die/der einzelne wird ermutigt, die eigenen Stärken zu entdecken und auch bewusst einzusetzen. Es soll dem Menschen ermöglicht werden, selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen und weitestgehende Freiheit in diesen Entscheidungen zu genießen.
Empowerment von Teams oder einer der gesamten Belegschaft wird häufig dann gefordert, wenn es darum geht, starre Strukturen und Hierarchie aufzubrechen.
Die Verantwortung soll auf alle Schultern verteilt werden. Und Entscheidungen dort getroffen werden, wo auch das meiste Wissen zu dem jeweiligen Thema sitzt.
Dafür braucht es natürlich die Freiheit, solche – teils weittragenden – Entscheidungen auch treffen zu dürfen.
Zusätzlich müssen die Mitarbeiter*innen gewillt sein, diese Verantwortung auszuleben. Wenn jemand über Jahre im Betrieb so sozialisiert wird, dass jede Entscheidung von der Führungskraft getroffen wird, kann die plötzliche Entscheidungsfreiheit sogar als Belastung empfunden werden: “Das möchte ich nicht entscheiden. Was mache ich denn, wenn es schief läuft?”
Gerade wenn Soziokratie, Holakratie oder Selbstorganisation in einer Abteilung oder in der ganzen Unternehmung eingeführt wird, wird der Ruf nach dem nötigen Empowerment laut. Hier stellt sich die Frage, wie nun echtes Empowerment der Mitarbeiter*innen aussehen kann.
Wie kann Empowerment wirklich etabliert werden?
(1) Entscheidungen werden dort gefällt, wo das meiste Wissen herrscht
Das Bild der allwissenden Führungskraft, die stets die richtigen Entscheidungen fällt und nie Fehler macht, bröckelt immer mehr. Dazu ist unsere Wirtschaftswelt zu komplex, volatil, unsicher und schnelllebig geworden. Entscheidungen sollten also von der Person getroffen werden, die sich am intensivsten mit der Thematik auseinandergesetzt hat und über das meiste Wissen zur aktuellen Situation verfügt. Das kann unter Umständen den 18-Jährige Lehrling, der genau weiß, wie der firmeneigene Instagram-Account gut bespielt werden kann.
Entscheidungen werden also nicht mehr von der dafür eingesetzten Führungskraft getroffen, sondern von den Mitarbeitern.
Aus zwei Gründen kann diese Maßnahme zu einem Kulturschock führen: Für die Führungskraft bedeuten flachere Hierarchien oder Systeme der Selbstorganisation eine (gefühlte) Entmachtung und fühlen sich wie ein Verlust des Status an. Das scheint allerdings nur auf den ersten Blick zu stimmen. Führungskräfte, die sich auf die neue Organisationsform einlassen, berichten von einer sehr willkommenen Entlastung. Sie können eine andere Rolle einnehmen und sind eher Sparringspartner für ihre Kolleg*innen.
Der zweite Schock fürs System: Über Jahre(zehnte) hinweg haben Mitarbeiter*innen gelernt, dass die Führungskraft den Kurs vorgibt. In sehr starren Hierarchien war nicht einmal Feedback zum eingeschlagenen Kurs erwünscht.
In selbstorganisierten Teams/Unternehmen dürfen und sollen aber auch die Experten die Entscheidungen treffen. Darunter natürlich auch Entscheidungen mit weitreichenden Folgen: mögliche Entlassungen, Anschaffungen von wertvollen Gütern, Budgetplanungen…
Sicher begrüßen einige entscheidungsfreudige Mitarbeiterinnen die neu gewonnene Entscheidungsfreiheit.
Organisationsentwickler berichten allerdings davon, dass genau diese Entscheidungsfreiheit für viele Kolleginnen eine große Herausforderung bedeutet. Sie haben die Befürchtung, die falsche Entscheidung zu treffen. Das kann unter Umständen den Prozess hin zu einer selbstorganisierten Unternehmung erheblich behindern. Ohne Entscheidungen bleibt die Unternehmung manövrierunfähig.
(2) Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen stärken
Mitarbeiterinnen, die wissen, wo ihre Stärken liegen, gehen viel souveräner mit schwierigen Situationen um. Sie wissen, dass sie sich auf ihre Stärken verlassen können und sind somit deutlich entscheidungsfreudiger. Es geht darum, dass eure Kolleginnen ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln. “Egal, was auf mich zukommt, ich werde das schon hinbekommen”, ist der Leitspruch eines Menschen mit Selbstvertrauen. Nicht zu verwechseln mit einem übersteigertem Selbstbewusstsein, das ganz schnell in Überheblichkeit abdriften kann. Deshalb auch der Zusatz “gesundes” Selbstbewusstsein.
Wie können also eure Kolleg*innen ein gesundes Selbstbewusstsein erlangen?
Eine stärken-orientierte Kultur trägt enorm dazu bei, dass die Stärken der/des Einzelnen ganz gezielt eingesetzt werden. In Einstellungs- und Mitarbeiter-Gesprächen stehen die positiven Seiten und Stärken im Vordergrund.
Regelmäßiges und konkretes Feedback, wann die Stärken eines Teammitglieds besonders hilfreich waren, stärkt das Selbstvertrauen der Person erheblich.
In Team-Workshops / Team-Retreats können sich Team-Mitglieder gezielt Feedback geben, was sie an den Kolleg*innen schätzen und was sie zu einem wertvollen Teil des Teams macht.
Einen guten Einstieg in die Stärken-Welt bietet unser StärkenRadar. Der 15minütige Online-Check filtert die Top8 Stärken einer Person heraus und erklärt sie in einfacher Form. Außerdem erfahrt ihr, welche Bedürfnisse ihr habt und welche Rollen ihr gut ausfüllen könnt. Hier geht´s direkt zum Stärken-Test.
(3) Klare Rollenbeschreibungen etablieren
Je flacher die Hierarchie in einer Unternehmung wird, desto wichtiger sind klare Rollen. Eine gute Rollenbeschreibung enthält, um welche Inhalte sich die Person kümmert, welchen Entscheidungs-Freiraum sie hat und was andere Rollen von ihr auch einfordern dürfen.
Auch bei der Ausgestaltung dieser Beschreibungen können Stärken einen enormen Beitrag leisten. Wenn ich genau weiß, was mich für mein Team wertvoll macht (was ich gut kann), dann kann ich um meine Stärken herum meine Rollen schmieden. Ein schöner Nebeneffekt: wenn ich in meinen Rollen täglich meine Stärken einbringen darf, geht mir die Arbeit leichter von der Hand. Ich bin motivierter und kann noch mehr Selbstvertrauen entwickeln. Schließlich bin ich genau in meinem Element.
(4) Eine vernünftige Fehlerkultur pflegen
Dort, wo Entscheidungen gefällt werden, kommt es auch unweigerlich zu Fehlentscheidungen. Nur dort, wo nie Entscheidungen getroffen werden, entstehen keine Fehler. Wobei sich auch das Nichtentscheiden häufig als massiver Fehler entpuppt.
Wie also umgehen mit Fehlern?
Schuldzuweisungen sind absolutes Gift, wenn ihr echtes Empowerment etablieren wollt. Es geht nicht darum, WER etwas falsch gemacht hat. Es geht vielmehr darum, herauszufinden, WAS falsch gelaufen ist. Ganz einfach aus dem Grund, weil ihr den gleichen Fehler nicht noch einmal machen wollt.
Beim Empowerment geht ihr von einem Menschenbild aus, dass die/der Mitarbeiter*in ja nach bestem Wissen und Gewissen entschieden hat. Also alle Informationen, die zum damaligen Zeitpunkt zur Verfügung standen, abgewogen und dann entschieden hat. Eine “Bestrafung” oder ein Bloßstellen der Entscheider*in führt zu einem Klima der Angst. Der Angst, eine falsche Entscheidung zu treffen.
Die Führungskraft geht mit gutem Beispiel voran und gibt eigene Fehler auch vor versammelter Mannschaft zu. Immer wieder versichert sie ihren Leuten, dass es um das gemeinsame Lernen aus diesen Fehlern geht. Fehler gehören unweigerlich zum Lernen dazu. Jeder der jemals Fahrradfahren oder eine neue Sprache gelernt hat, weiß das ganz genau.
Als Führungskraft wird auch dieser Artikel für dich interessant sein: „Führe mit den eigenen Stärken.“